Endlich da.

Jetzt sind wir schon den zweiten Tag an unserer Einsatzstelle. Am Mittwoch Abend (8.9.) waren wir in den Bus gestiegen mit der Erwartung in knapp 18h da zu sein. Die Hoffnung auf 14h hatten wir schon begraben, nachdem es für den Direktbus keine Tickets mehr gab, weshalb wir mit Alana und Franzi nach Trivandrum mussten, wo uns dann jemand abholen sollte. Wegen Staus waren wir am Ende 22,5+2,5h unterwegs. Zwar hatte der Bus Schlafsitze, aber die grauenhaft laute Hupe und zig schnarchende Inder machten die Nacht nicht unbedingt komfortabel und nach einem Tag sitzen tut einem das Steißbein gehörig weh. Am 9. Abends um 8.30 waren wir dann endlich in Allencode im Polioheim. Nachdem wir in Bangalore ein sehr sauberes, helles Zimmer und viel Platz gehabt hatten, waren wir etwas verstimmt als Sr. Smily Bhama uns unsere Unterkunft fürs nächste halbe Jahr zeigte: 15m² vollgestellt mit 3 Betten, 2 Tischen mit Stühlen, einem vollen Schrank und einem versifften Kühlschrank. Immerhin haben wir ein eigenes kleines Bad mit funktionierendem Klo und aus der Duschbrause kommt sogar Wasser. Bis Sonntag hat man uns noch frei gegeben, wir saßen gestern aber trotzdem den ganzen Tag mit den Jungs und Mädels zusammen. Die meisten können einige Brocken Englisch, besonders die Jungs versuchen es aber immer wieder auf Tamil, weil die letzten Freiwilligen am Ende sehr gut Tamil sprechen konnten. So ist es ziemlich anstrengend für uns und das beste Englisch nützt nichts, weil mehr als 3 Wörter nacheinander kaum verstanden werden.
Das Heim liegt eigentlich ganz nett, zwar direkt an der Straße, aber durch die Mauer und Bananen- und Kokospalmen wird der Lärm abgehalten. Die Gebäude (Schlafräume, Büro, Speisesaal, Schule) liegen um einen Innenhof herum. Fotos stelle ich rein, sobald ich welche gemacht habe. Bis jetzt war ich zu sehr mit Schauen beschäftigt. Ich hatte mich eigentlich auf Monsun eingestellt, aber hier an der Küste ist es lediglich ein bisschen wolkig aber trotzdem hell und bisher kamen nur ein paar Tropfen runter. Aber vielleicht sind 2 Tage zu kurz um das zu beurteilen.

Ein paar Eindrücke, die ich bisher von Indien gewonnen habe:
Der Verkehr ist wirklich wie beschrieben, wenn nicht sogar schlimmer. Die Hupe ist die wichtigste Sicherheitsvorkehrung am Fahrzeug (wichtiger als die Bremse) und ersetzt wahlweise Blinker, Handzeichen oder wird einfach auch nur zum Spaß benutzt. Je lauter desto besser ^^ Wer in der Nacht sicher fahren will, sollte auf jeden Fall Nebel- und Fernlicht einschalten. Da das Tempolimit nicht als Limit betrachtet wird (wie uns auch schon einige Inder zugesichert haben), sind in den Straßen immer wieder hohe Schwellen eingelassen, über die man sehr langsam fahren muss, wenn man sich nicht unsanft den Schädel stoßen will. Außerdem passen in ein Auto beliebig viele Personen. Unser Maximum lag bei 10 Leuten im Fünfsitzer, Bilder stelle ich bei Gelegenheit rein. Und: Egal wie eng der Verkehr ist: Eine Rikscha passt überall hin.

Allgemein gibt es viele Dinge die komplett anders sind: Zum Einen ist da der Linksverkehr, der einem schnell zum Verhängnis werden kann, weil es zumindest hier „auf dem Dorf“ keine Gehwege oder auch nur befestigte Fahrbahnränder gibt. Dann kommt es auch öfter mal zu Missverständnissen, weil in Indien zum Ja-Sagen nicht genickt sondern mit dem Kopf gewackelt wird, was schnell mal so aussieht wie Kopfschütteln. Völlig ungewohnt ist auch das mit der Hand essen, am Besten stilecht vom Bananenblatt. Wenn man sich mal dran gewöhnt hat, geht es, aber am Anfang braucht es doch etwas Überwindung einfach in Reis und Soße rumzumatschen. ^^ Was das Essen angeht, vermiss ich noch nicht so viel. Salat vielleicht und einfach mal so in einen Apfel reinbeißen zu können. Ina hat schon Gelüste nach Cornflakes und Käsebrot, das geht bei mir noch. In Bangalore gab es einen Supermarkt in dem es sogar Haribo und Rocher gab. Und im Schuhladen hingen Scholl Fußmittelchen. Nur Klopapier bekommt man so gut wie nirgends. Hier haben wir eine Rolle für umgerechnet 90ct gefunden, deshalb werden wir, wenn unser Vorrat aufgebraucht ist, wohl auf Tempos oder Servietten umsteigen. Die meisten anderen Dinge sind hier ziemlich billig, Ina hat sich z.B. heute einen Sari für 440Rs also knapp 8€ gekauft, Kaffee (der hier immer mit Milch und sehr sehr viel Zucker serviert wird) kostet 20ct und eine Busfahrt nach Nāgercoil anscheinend 25ct. Ich hab am Anfang der Woche 200€ gewechselt, das waren dann 11 000 Rupien und der Stapel war knapp 1,5cm dick, das wirkt schon beeindruckend.
Hier unten im tiefsten Süden wird man schon etwas seltsam angeschaut, weil man einfach die einzige Weiße ist. In Bangalore ging das etwas besser, aber es ist ein seltsames Gefühl, plötzlich zur absoluten Minderheit zu gehören. Als uns in Bangalore eine weiße Frau entgegenkam, hat man sich fast automatisch gegenseitig angelächelt, so als ob beide wissen, dass man hier eigentlich fehl am Platz ist.