Mode!(?)

Angesichts dessen, was ich hier jeden Tag zu Gesicht bekommen, fühle ich mich gezwungen mal einen kleinen Abriss über die Mode in Indien bzw. zumindest in Tamil Nadu zu geben. Für alle, die wissen wollen, wie die Menschheit hier so herumläuft, hier also eine grobe Verallgemeinerung:

Beginnen wir mit den Frauen: Als Frau hat man grundsätzlich schön zu sein, jegliche erotische Stellen müssen jedoch bedeckt werden. Dazu zählen Brust/Dekolleté, Schultern, sowie alles unterhalb der Taille, nicht aber der Bauch. Mädchen tragen Kleider oder Rock und Bluse, ab der Pubertät gibt es Chudidars. Die bestehen aus einer langen Hose, einem relativ weiten, knielangen Oberteil, das ab der Hüfte geschlitzt ist und einem Schal, der (glücklicherweise) nicht wie in Deutschland um den Hals geschlungen sondern von vorne über das Dekolleté gelegt und dann an den Schultern mit Sicherheitsnadeln festgesteckt wird. Dazu gibt es verschiedene Drapier-Techniken, z.B. wird er entweder längs auf eine Breite von 15cm gefaltet und dann wie ein V gelegt, man rafft ihn zu vielen kleinen Falten oder er wird nur an den Schultern befestigt und dann hochgeschoben. Nach der Pubertät bzw. ab der Hochzeit trägt frau Sari, also eine Minibluse, ein Rock und darüber 5-7qm Baumwoll-, Seiden oder Synthetikstoff. Das Sariwickeln ist eine Kunst für sich und ich bin mir nicht sicher, ob ich das in den nächsten 9 Monaten je lernen werde. Hierbei darf zwar die Brust in der Bluse nicht zu sehen sein, der nackte Bauch aber sehr gerne. Wenn man ein schönes Muster wählt (was hier gar nicht so leicht ist), kann ein Sari doch sehr ästhetisch aussehen, aber sonderlich bequem ist er nicht. Hat man keine Lust auf Sari oder Chudidar und ist gerade zuhause, kann man zum Nighty greifen. Das ist ein wild gemustertes, dickes Baumwollnachthemd, das sowohl zum schlafen als auch zur Hausarbeit etc. getragen wird. Laut Smily ist das gerade neuste Mode, vor ein paar Jahren gab es stattdessen noch Schlafsaris…
Friseure scheint es hier nur für Männer zu geben. Die meisten Frauen schneiden ihre Haare während ihres ganzen Lebens kein einziges Mal, demensprechend lang fallen dann auch die Zöpfe aus, die hier so die Standardfrisur sind. Haaröl ist ein Muss, wer besonders gut aussehen will steckt sich Blumen an den Hinterkopf, vorzugsweise Rosen oder Jasminketten, die man hier an jeder Straßenecke kaufen kann. Dazu kommen dann Ohrringe und Ketten in Gold, Bangels (Armreifen) in der passenden Farbe und für ganz extravagante sogar noch goldene Kettchen für die Haare. Man trägt hier übrigens keine Eheringe, sondern die Frauen bekommen zwei goldene Bangels und eine goldene Kette. Um das Outfit zu vollenden, braucht man natürlich Nagellack, der allerdings nur auf die linke Hand kommt, weil man ihn mit der rechten ja mitessen würde. Außerdem ist das Universalheilmittel Puder, den es in verschiedenen Geruchsrichtungen gibt und der als Schutz vor Staub, Sonne und natürlich zum aufhellen der Haut benutzt wird. Den benutzen sogar die Männer, und auch wir haben uns mittlerweile welchen zugelegt, um den überlaufenden Schweiß aufzusaugen ;)

Als Mann trägt man normalerweise Hemd und Polyesterschlag- oder Bügelfaltenhose. Ein Phänomen, an das ich mich immer noch nicht gewöhnt habe, ist der Lungi. Das ist ein Stoffschlauf, in den mann reinschlüpft und ihn dann hochklappt und festknotet bis er aussieht wie ein Baumwoll-Minirock. Den gibt es von einfarbig bis neonfarben gemustert in allen Varianten und er wird zum Arbeiten oder im Haus getragen. In der Kirche oder in irgendwelchen öffentlichen Gebäuden etc. ist er allerdings verpönt, stattdessen gibt es für dort den Vaisti oder Dhoti, der genauso aussieht, aber weiß ist. Grundsätzlich trägt mann dazu Lederlatschen und einen Schnauzbart, der für uns ja ein absolutes No-Go ist, hier aber als sexy gilt – unsere Mädels konnten sich nicht vorstellen, dass man in Deutschland Schnauzer nur bei älteren Männern sieht, wo sie die doch so toll finden…

Also alles in allem unterscheidet sich der Kleidungsstil und -geschmack doch erheblich von dem, den ich gewohnt bin. Den der Frauen würde man zwar durchaus als hübsch bezeichnen, bei den Männern frage ich mich allerdings immer noch, wie so viele Leute so daneben liegen können ;)